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Kündigung von „alten“ Bausparverträgen
Erstmals hat eine Bausparkasse im Streit um gut verzinste Sparverträge eine obergerichtliche Niederlage hinnehmen müssen. Die Kündigung eines mit drei Prozent verzinsten Vertrags aus dem Jahr 1978 durch die Bausparkasse
Wüstenrot sei unberechtigt gewesen, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart am Mittwoch (Urt. v. 30.03.2016, Az. 9 U 171/15).
Seit vergangenem Jahr sind deutsche Gerichte mit einer Klagewelle gegen die Kündigung von Bausparverträgen beschäftigt. In den 80-er und 90-er Jahren lockten Bausparkassen Kunden mit Guthabenzinsen von bis zu fünf Prozent. Als die Zinsen gegen null sanken, legten viele Sparer jedoch ihr Recht auf ein Bauspardarlehen auf Eis - solche Kredite gab es inzwischen häufig günstiger als Einzelkredite außerhalb des Bausparvertrags. Die Guthabenzinsen wurden für die Bausparkassen zu finanziellem Ballast.
Also kündigten die Institute Verträge, die mindestens zehn Jahre zuteilungsreif waren - 200.000 solcher Kündigungen gab es 2015. Aus Sicht der Bausparkassen findet durch den Verzicht auf das Darlehen eine Zweckentfremdung des Bausparvertrags zur reinen Kapitalanlage statt. Die Geldinstitute berufen sich darauf, dass ein Darlehensnehmer einen Vertrag zehn Jahre nach Empfang der vollständigen Leistung kündigen kann. Der Clou: In der Sparphase eines Bausparvertrags sehen die Finanzinstitute sich als Darlehensnehmer, die Geld vom Kunden bekommen.
Die Bausparer halten § 489 BGB hingegen nicht für anwendbar. Sie stützen sich darauf, dass die Regelung zum Schutz von Verbrauchern gegenüber Banken eingeführt wurde, und nicht umgekehrt.
Vor dem OLG Stuttgart bekamen die Sparer nun erstmals Recht. Das Gericht hält § 489 BGB weder direkt noch analog für anwendbar. Der Senat hält den Zeitpunkt der Zuteilungsreife für nicht relevant. Das OLG schließt sich damit der von Verbraucherschützern vertretenen Auffassung an, die darauf abstellen, dass die Zuteilungsreife nichts mit dem Erhalt der vollständigen Leistung zu tun habe.