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Veröffentlichungen

Rechtsanwälte, Notare und Andere

Neulich war Herr M. bei uns. Nach langem Drängen seiner Familie hatte er sich entschlossen, einen Rechtsanwalt aufzusuchen und sich beraten zu lassen. Er hatte vor einigen Jahren nun schon ein Grundstück verkauft und bis heute kein Geld erhalten.

 

Alle Versuche, den im Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreis zu erhalten, scheiterten.

Nach Prüfung der Angelegenheit mußte ich ihm erklären, dass der Kaufpreis zwar vereinbart aber aufgrund der Struktur des notariellen Vertrages bisher nicht fällig geworden ist. Der Vertrag war zwar korrekt, aber die Interessen des Herrn M. waren nicht sehr gut zum Tragen gekommen.

"Mein Notar war aber doch bei dem Vertrag dabei, er hätte doch das richtig machen müssen."

So oder ähnlich gibt es leider häufig die Meinung, Jurist sei gleich Jurist. Zwar haben Notare und Rechtsanwälte die gleiche Ausbildung, sie üben aber grundverschiedene Berufe aus.

Der Notar ist "als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes" (§ 1 Bundesnotarordnung) gewissermaßen neutral gegenüber den verschiedenen Beteiligten an einem Vertrag. Er hat darauf zu achten, dass eine Beurkundung oder andere Aktivitäten, die von ihm durchgeführt werden, korrekt sind und den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Dies ist eine sehr hohe und wichtige Verantwortung, die er quasi als "freiberufliche Amtsperson" wahrnimmt.

Ein Rechtsanwalt hingegen darf nicht neutral sein. Er ist als "ein unabhängiges Organ der Rechtspflege" (§ 1 Bundesrechtsanwaltsordnung) der Bevollmächtigte der von ihm vertretenen Partei. Er ist damit parteiisch im positiven Sinne. Seine Aufgabe besteht darin, die für seine Partei günstigsten Bedingungen zu erwirken. Dies trifft sowohl im außergerichtlichen wie im prozessualen Bereich zu.

Insofern kann Herr M. nicht von "meinem Notar", sondern, sofern vorhanden, bestenfalls von "meinem Rechtsanwalt" sprechen. Wäre bei der Vertragsunterzeichnung ein Rechtsanwalt für ihn tätig geworden, würde er heute sehr wahrscheinlich nicht seinem Geld nachlaufen müssen.

Dies ist nur ein Beispiel, das jedoch leider offensichtlich aus Unwissenheit über diese Probleme sehr häufig angetroffen wird. Dass es hierunter Unsicherheiten gibt, ist auch nicht verwunderlich, da es für Außenstehende nicht ohne Weiteres erkennbar ist, wofür jemand zuständig ist und selbstverständlich auch die unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Bundesländern zu weiteren Verwirrungen beiträgt. So ist es beispielsweise im Land Berlin möglich, gleichzeitig Rechtsanwalt und Notar zu sein. Dies hat zur Folge, dass der entsprechende Jurist immer entweder als Rechtsanwalt oder als Notar dem Rechtsuchenden entgegentreten kann. Die Wahrnehmung beider Tätigkeiten gleichzeitig und im gleichen Fall ist nicht gestattet. Sie würde mit Sicherheit dazu führen, dass eine der beiden Aufgaben nicht durchgeführt werden würde, denn man kann nicht gleichzeitig neutral und Partei gegen die gleichen Personen sein. 

Im Land Brandenburg hingegen gibt es das sogenannte "Nur-Notariat". Dies bedeutet lediglich, dass jemand nur Notar oder Rechtsanwalt sein kann, nicht jedoch beides gleichzeitig. Die Trennung im Land Brandenburg geht sogar noch weiter, denn ein Notar und ein Rechtsanwalt dürfen sich hier auch nicht in einer Sozietät oder Bürogemeinschaft zusammenfinden. Es herrscht strenge Trennung.

Nebenbei bemerkt gibt es auch weitere wesentliche Unterschiede zwischen dem Land Brandenburg und dem Land Berlin. Dies besteht z. B. darin, dass im Land Berlin ein Rechtsanwalt gleichzeitig am Landgericht und am Kammergericht (vergleichbar den Oberlandesgerichten anderer Länder) tätig sein kann. Im Land Brandenburg sind die Rechtsanwälte an Landgerichten nicht am Oberlandesgericht zugelassen und umgekehrt. Überhaupt heißt das Thema heute Spezialisierung. Den alles könnenden Einzelanwalt gibt es nicht mehr. Die Kompliziertheit der Rechtsmaterie hat ein solches Ausmaß angenommen, dass auch Rechtsanwälte sich auf Teilgebiete konzentrieren und spezialisieren müssen, um ihren Mandanten die bestmögliche Rechtsberatung und Vertretung zu gewährleisten.

Neben dem internationalen Trend zu Megakanzleien, in denen 50, 100 oder gar 300 Anwälte zusammengeschlossen sind und die sich in aller Regel mit Wirtschaftsprojekten der Großindustrie befassen, gibt es einen Trend zur Bildung von spezialisierten Anwälten, die sich zu kleinen bis mittelgroßen Kanzleien (3 bis 6 Kollegen) zusammenschließen. Hierbei wird auch den neuen Entwicklungen Rechnung getragen, dass die Steuerfragen und die Fragen der Unternehmensberatung und Buchprüfung eng mit den Rechtsfragen verknüpft sind, weshalb der Gesetzgeber nunmehr auch Zusammenschlüsse von Rechtsanwälten, Steuerberatern und vereidigten Buchprüfern ermöglicht hat, um die Probleme der Mandanten rundum betreuen zu können. Dabei wird eine Spezialisierung angestrebt und erreicht, die gleichzeitig eine persönliche Betreuung und, bei längeren und ständigen Mandanten, auch die konkrete Kenntnis der Situation (z. B. kleine Betriebe und Gewerbeeinheiten) ermöglicht. Die sogenannten Megakanzleien sind hierzu selbstverständlich nicht in der Lage.