Veröffentlichungen
Bodenreform
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 22. Januar 2004 hat hohe Wellen geschlagen, viele Beteiligte ratlos gemacht und zu hektischen Reaktionen geführt.
Dafür ist zunächst die Tatsache verantwortlich, dass in einer Reihe von Zeitungen behauptet wurde, es müsse bis zum 22. Februar 2004, also mit einer Monatsfrist nach Verkündung des Urteils, in irgendeiner Weise reagiert werden.
Es gibt keinen Anlass zu dieser Hektik. Die behauptete Frist, 22. oder auch 23. Februar 2004, ist durch nichts gerechtfertigt. Hier befinde ich mich mit meiner Meinung in Übereinstimmung mit einer Reihe von Rechtsanwälten, die sich, so wie ich, ebenfalls seit mehr als einem Jahrzehnt mit Fragen des DDR-Folgerechtes beschäftigen. Häufig muss man feststellen, dass der Termin zum 22. Februar 2004 zur Klageeinreichung nur damit begründet wird, dass er aus anderen Presseveröffentlichungen übernommen wurde.
Es wäre nicht notwendig, hier darüber zu schreiben, wenn die hektische Einreichung von Klagen bis zum 22. Februar 2004 keinen Schaden anrichten würde. Dies ist jedoch nicht so. Zunächst entstehen - teilweise nicht unerhebliche - Kosten der Kläger für Anwalt und Gericht. Diese gehen verloren, wenn die Klagen nicht erfolgreich sind, was wahrscheinlich ist. Damit sind genau diejenigen wieder betroffen, die ihr Bodenreformland verloren haben, bereits Geld in andere Prozesse gesteckt hatten und nun erneut "abgezockt" werden.
Des Weiteren schadet es dem Ruf der Anwaltschaft und der Justiz insgesamt, da die Schuld an den Negativergebnissen dann häufig pauschal der Justiz oder dem Staat zugeschoben wird. Und letztlich könnte es dazu führen, dass die tatsächlich erforderlichen Schritte möglicherweise nicht eingeleitet werden, "weil man ja schon geklagt hat".
Zugegebenermaßen, gegenwärtig weiß wohl kaum jemand, wie sich die Betroffenen, nämlich diejenigen, die am 16. März 1990 als Erben eines Bodenreformgrundstückes nicht in der Landwirtschaft tätig waren, verhalten sollen, um ihr Recht durchzusetzen.
Zunächst ist festzustellen, dass das o. g. Urteil gemäß Art. 44 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention frühestens drei Monate nach der Verkündung rechtskräftig wird. Erst danach sind entsprechende Aktivitäten erforderlich. Hier ist die Bundesregierung gefordert, anstelle der als Unrecht erkannten Gesetzesregelung von 1992 nunmehr eine gesetzliche Regelung vorzulegen, die den Erfordernissen der Demokratie und der Menschenrechte entspricht.
Möglicherweise wird man dann auch Ansprüche geltend machen können oder Klagen erheben müssen, in jedem Falle jedoch ohne die jetzt entfachte und irreführende Hektik.